„Als Autos die Straßen eroberten, hatte die Feuerwehr noch Experten für Pferdekutschen“

„Als Autos die Straßen eroberten, hatte die Feuerwehr noch Experten für Pferdekutschen“

Bei der Digitalisierung hinken Deutschlands Feuerwehren der Privatwirtschaft um Jahre hinterher. Der Chef des neuen Rettungsrobotik-Zentrums erklärt warum – und wie sich das jetzt ändern soll.

WirtschaftsWoche: Herr Aschenbrenner, die Stadt Dortmund und die Dortmunder Berufsfeuerwehr betreiben mit dem Institut für Feuerwehr- und Rettungstechnologie (IFR) ein bundesweit einzigartiges Forschungszentrum. Wieso hängen die Feuerwehren bei Forschungsprojekten der Industrie sonst so weit hinterher?
Dirk Aschenbrenner: So möchte ich das nicht ausdrücken. Es gab und gibt in den Feuerwehren immer wieder sehr innovative Köpfe, die mit sehr viel Herzblut und Einfallsreichtum große Innovationen schaffen. Diese Tradition reicht zurück bis zu Conrad Dietrich Magirus oder Carl Metz, die in Ulm oder Karlsruhe den Bau von Löschfahrzeugen und Drehleitern etabliert haben. 

Dennoch drängt sich der Eindruck auf, dass Innovation im deutschen Lösch- und Rettungswesen eine Nebenrolle spielt.
Innovation ist ja kein Selbstzweck. Es ist nicht damit getan, einfach nur tolle Technik zu erfinden. Wir müssen sinnvolle Dinge zur Einsatzreife zu bringen. Und das dauert bei uns fraglos länger als in einem normalen Industrieunternehmen, weil davon auch das Leben unserer Einsatzkräfte abhängt. Wenn ich meine Leute als Einsatzleiter ins Feuer schicke, dann mache ich das lieber mit Technik, von der ich aus jahrelanger Erfahrung weiß, dass man ihr vertrauen kann. Und nicht mit irgendwelchen Neuheiten, von denen nicht klar ist, was man ihnen zumuten kann.

Trotzdem, mitunter geht diese Vorsicht wohl ein wenig zu weit. 1996 haben die EU-Innenminister beschlossen, den alten, analogen Polizeifunk durch moderne, digitale Kommunikationsnetze zu ersetzen. Ein knappes Vierteljahrhundert später nutzt die Feuerwehr diesen Digitalfunk noch immer nicht flächendeckend. 
Für die Verzögerungen beim Digitalfunk gibt es viele Gründe. Und die Feuerwehren, die ja kommunale Einrichtungen sind, hängen beim Aufbau des Digitalfunks, der durch Bund und Länder betrieben wurde, ganz hinten in der Kette. Da ist es nicht meine Sache, die Schwierigkeiten, die es gab und gibt, zu kommentieren. Dennoch stimmt es natürlich grundsätzlich: Feuerwehren sind sehr konservative Institutionen. Sicher auch wegen des besonderen Sicherheitsanspruchs. Aber auch, weil die Menschen, die bei uns arbeiten, nicht immer aus den innovativsten Berufsfeldern stammen. Um mal einen historischen Vergleich zu verwenden: Als die Autos die Straßen eroberten, dominierten bei den Feuerwehren die Experten für Pferdekutschen und Dampfspritzen. Und heute haben wir eher Kraftfahrzeugelektroniker und keine Drohnenpilotinnen in unseren Reihen.

Die aber brauchen Sie künftig?
Ja, wir haben hier in Dortmund schon verschiedene Fluggeräte im Einsatz, mit denen wir Einsatzstellen aus der Luft erkunden können. Drohnen sind ein gutes Beispiel, wie wir innovative Technik aus dem zivilen Alltag in unsere Arbeit integrieren. Aber auch dafür, warum das mitunter so schwierig ist. Denn lange Zeit war es uns beispielsweise gar nicht erlaubt, mit den Geräten über Einsatzstellen zu fliegen. Erst die Novelle des Luftfahrtrechts hat da eine Ausnahme für uns geschaffen. Und auch die reicht noch nicht so weit, wie wir es gerne hätten.

Wo klemmt es denn?
Wir beschaffen gerade eine weitere, neuartige Drohne, die in der Lage wäre, bei einem Alarm direkt von der Hauptwache aus den Löschzügen autonom vorauszufliegen und Einsatzstellen aus der Luft vorab zu erkunden. Für die 10 bis 15 Kilometer bis zur Stadtgrenze braucht so ein Flieger nur ein paar Minuten. Das würde uns einen deutlichen Informationsvorsprung bringen und den Beamten in der Leitstelle helfen, die Lage schneller und besser einzuschätzen und bei Bedarf früher die richtigen zusätzlichen Kräfte zu alarmieren.

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